Montag, 26. November 2007

Everchanging

Ich stelle ganz flugs zwei Dinge fest:

1) Fremdschämen ist wirklich eklig. Und warum? Weil man insgeheim weiß, dass andere Menschen sich auch für unsereins fremdschämen. Dem Freak, den man eben noch belächelte, ist man bei genauerer Überlegung nämlich viel ähnlicher als angenommen. Alles, was man selbst als "Macke" ansieht, ist für Manche so unglaublich peinlich, dass sie sich deswegen vor die nächste Straßenbahn werfen würden. Na, gerade mal wieder am Fingernagel gekaut? Oder in der Nase gebohrt? Blödes Gesicht in einer unpassenden Situation gemacht? Seltendämliches Lachen vom Stapel gelassen? Ja? Ich auch. Alles zusammen.
2) Weihnachten nervt. Ist irgendwem aufgefallen, dass pünktlich ab Mitte November die Werbung für Spendenaktionen VOLL durchstartet? Jaja, "Fest der Liebe" und so. Sicher. Ich nenne es lieber gräßliche Instrumentalisierung. Was hindert die vom Grundgedanken her sicherlich ganz schönen Spendenaktionen eigentlich daran, nicht regelmäßig über's Jahr verteilt zu laufen? Wenn sich alle auf's Jahresende fokussieren, graben sie sich außerdem auch gegenseitig das Wasser ab [an dieser Stelle bitte eine Landschaftsaufnahme eines vertrockneten Landstrichs in Afrika vorstellen]. Ach ja: Unglaublich pathetisch sind sie auch noch. Komisch, dass ich nicht drauf reinfalle.

Donnerstag, 1. November 2007

"If I wasn't married, I'd fuck everyone here!"

Dave Grohl ist ein Tier. Sein Körper besteht vermutlich zu 80% aus Haaren. Im Gesicht, auf dem Kopf, unter den Armen, auf der Brust, auf dem Rücken, zwischen... Ach, ist gut jetzt. Jedenfalls schüttelt er diese Haare dann, während er gleichzeitig mehrere tausend Menschen anbrüllt und auf eine zumeist elektronisch verstärkte Gitarre einschlägt. Willkommen zu einem Foo Fighters-Konzert.

Genauer gesagt, willkommen zum Foo Fighters-Konzert in der Arena Oberhausen am vergangenen Sonntag. Ich möchte jetzt nicht über lange Menschenschlangen vor den Eingängen sprechen, die dazu führten, dass wir schätzungsweise drei Minuten zu spät die Halle betraten, um noch VOR dem Wellenbrecher zu landen.

Ich möchte stattdessen erzählen, wie es so war, im Angesicht des Allmächtigen. Die Vorband waren die Sportfreunde Stiller und sie hätten sich keinen schlechteren Abend aussuchen können, um ein Konzert zu eröffnen. Ehrlich, es ist mir egal, dass es "unwichtig" ist, dass der Sänger nicht singen kann. Es ist mir auch verdammt noch mal egal, ob es "sympathisch" ist, dass die drei Sportfreunde ihre Instrumente nicht besser beherrschen als ich es kann. Es ist mir ferner sogar egal, dass ich die alten Stücke der Band an sich ganz gern hab. Aber sehen wir es doch mal so: Wenn ich in ein Edelrestaurant gehe, dann möchte ich ja auch nicht ein trockenes Brötchen als Vorspeise. Alles klar?

Gut. Dann direkt zum nächsten Punkt: Licht aus, Foo Fighters da, zwei Stundern sabbern an. Nie war eine Band dieser Größenordnung freundlicher zum Publikum. Nicht nur, dass Hit an Hit gereiht wurde (und verdammt, davon gibt's so Einige!), sondern auch das Zwischenmenschliche stimmte. Würde die Band nicht stets von einer Gruppe Securities begleitet, dann könnte man problemlos ein bis sieben Bier mit ihnen trinken gehen. Oder einen Spaziergang am See machen, um die Enten zu füttern. Ach ja...
Trotz der fehlenden persönlichen, körperlichen Nähe war es zumindest äußerst wunderbar anzuschauen, wie Dave Grohl - ich glaube es war während "Breakout" - die Tribüne erklomm und sich zwischen all den Glücklichen ein Gitarren-Duell mit Gitarrist Chris Shiflett lieferte. Und wie er dann vor dem letzten Song ("Best Of You") ein Bier für "three Marks" bestellte und es gleich wegexte, ja, das war dann wiederum irgendwie naiv und totaler Rock'n'Roll zugleich.
Was bleibt zu der Musik zu sagen? Ich würde einer Bewertung nicht gerecht werden. Deshalb präsentiere ich... die Setlist:

The Pretender • DOA • Times Like These • Cheer Up, Boys (Your Make Up Is Running) • I'll Stick Around • Long Road To Ruin • Breakout • Learn To Fly • The One • Stacked Actors • Skin And Bones • My Hero • See You • Everlong • Monkey Wrench • All My Life • In Your Honor • No Way Back • Aurora • Best Of You

Ich schrie, ich sang, ich drückte die Leute um mich herum zur Seite. Der Name dieses Blogs ist Programm: Ich kann diese Gefühle nicht niederschreiben, ich kann sie nicht besser ausdrücken. Sie verweilen einzig in meinen Erinnerungen. Und dort bekommen sie einen Ehrenplatz.

Jan Wigger liebt ja doch nur Radiohead

Morgen ist es genau zwei Wochen her, dass das neue Jimmy Eat World-Album "Chase This Light" in Deutschland erschienen ist. Und was wurde nicht alles darüber geschrieben...! "Emo-Schlager" nannte Jan Wigger es und in diversen Foren wurde gestritten, ob das nicht alles viel zu poppig sei. Ich sage: Ach, leckt mich!

Natürlich besteht die Platte aus ingesamt mehr als 40 Minuten Hintergrund-Chören. Und natürlich ist man von den Vieren eigentlich mehr gewohnt als "Verse, Chorus, Verse, Chorus, Bridge, Chorus". Doch das stört höchstens solange, bis man sie entdeckt - die großen Momente und die schönen Zeilen. Ich breche übrigens in hysterisches Lachen aus, sollte sich jemand erdreisten und behaupten, dass die Texte 08/15-Emo-College-Scheiße sind. Ernsthaft: Jim Adkins mag zwar kein Poet sein, der mit seinen Worte abstrakte Welten erschafft, aber im Gegensatz zu all seinen Genre-Kollegen gelingt es ihm immer wieder, die Dinge, die irgendwie was mit dem menschlichen Miteinander zu tun hat, präzise, gefühlvoll und unpeinlich auf den Punkt zu bringen. Wobei ich den Begriff "gefühlvoll" schon jetzt anfange zu hassen, je mehr ich darüber nachdenke.

Wenn es Schwachpunkte gibt, dann tragen sie die Namen "Feeling Lucky" und "Here It Goes". Denn man ehrlich: Pop hin oder her, aber irgendwann ist auch mal gut und Avril Lavigne gehört aus dem Studio geschmissen. Aber das hätte eigentlich schon seit "The Authority Song" vom 2001er-Album "Bleed American" klar sein müssen. "Electable (Give It Up)" hingegen ist an sich ein schicker, nach vorne preschender Song, der live sicherlich Spaß macht. Aber warum besteht der Refrain zu 90% aus "Oh oh oh"? Hier übrigens noch eine kleine Geschichte, die ich lustig fand: Im offiziellen Forum der Band schrieb ein User, dass die Zeilen "Talking points from talking heads with automative smiles / There's no higher ground to stand than bottom of the pile / Give up acting unaware, you can't ignore the crime / The enemy is you as well, the enemy is I" auch aus dem Tagebuch des 12-jährigen Billie Joe Armstrong stammen könnten. Hm. Ja. Aber da stört's doch auch Niemanden.

Und solange Jimmy Eat World immer noch Songs wie "Let It Happen", "Carry You" (näher als in der Bridge dieses Songs war die Band seit der (zurecht!) gefeierten "Clarity" eben jenem Meisterwerk nie mehr), "Chase This Light" und "Dizzy" zustande bekommen, kann ich ihnen gar nicht böse sein. Denn egal wie trostlos der Tag war, und egal welche Abgründe in den Texten des Albums an sich zu finden sind, ich komme einfach nicht umhin, nach jedem Hören ein gutes Gefühl zu haben. Man möge mir lediglich noch erklären, warum "Be Sensible" es lediglich als Bonus Track auf das Album geschafft hat.

Jimmy Eat World sind letztlich wie ein guter Freund. Sie haben Macken, sie haben Fehler. Sie machen Dinge, die man ohne groß zu überlegen als "dumm" bezeichnen würde. Aber wenn es darauf ankommt, sind sie für einen da. Und jetzt wird's echt zu gefühlvoll.